Trommel statt Rommel

Echt stark! Ein weisser Südafrikaner und seine bayrische Frau schleppen 40 handgemachte afrikanische Trommeln am Faschingsdienstag in die Aula der Grundschule Meerweinstrasse.

Zwei Stunden lassen sie Kinder und Erwachsene von 6 - 60 Fingerspitzengefühl auf Ziegenhaut entwickeln: da wachsen Urkräfte zwischen den trommelhaltenden Knien der Kids, den Händen, Ohren und Augen zu einem aufrührenden, ins Mark treffenden alten Klangerlebnis:

We´re all a little bit like Lucy...

Welch ein Zufall, dass sich vor wenigen Wochen im Sudan ein umgekehrtes Szenario mit einem deutschen Kammerorchester zwischen den Pyramiden im Wüstensand abspielte: Dort wurde der Fund von sieben schwarzen Pharaonenstatuen gefeiert, deren uralte Existenz - und 100 Jahre Herrschaft am Nil - von ihren weissen Gegenspielern immer in den Sand getreten wurde, obwohl sie von dort ihr Gold bezogen und gelegentlich wohl auch eine gehörige Portion an Kunstfertigkeit und unbeschwerter Lebensfreude!

Auch bei uns gibt es alte Schätze: So schrieb vor 800 Jahren Wolfram von Eschenbach im Vorwort von Parzival: "Ein Mensch kann nur dann sein Leben bestehen, wenn er sich bewusst ist, wie in seiner Seele Licht und Dunkel beieinander wohnen - wie Schwarz und Weiss im Federkleid der Elster. Mühevolle Gedanken und innere Festigkeit braucht er, der den Streit zwischen Hell und Dunkel zugunsten des Himmlischen Lichts entscheiden will!"

Neun Tage nach dem Trommelerlebnis sitzt die Autorin in der ersten strahlenden Frühlingssonne unter blauem Himmel und stellt sich vor, dass sie auch für diese Klangfarbe getrommelt hat: für einen blauen Himmel ohnen Bomben! Bush-Soldaten und Saddam-Soldaten könnten sieben Stunden täglich trommeln, Fasching spielen, Schule spielen, Krieg spielen, sich immer neue Fragen und Antworten ausdenken - und andere Möglichkeiten der Buschtrommelei auch in Erwägung ziehen: den inneren Dialog im Kopf!

Astrid Lindgren hat den kindlichen Anfängen der feindlichen Aggression im Inneren eine Figur gewidmet, die derzeit durch die Kinos flimmert: Karlsson vom Dach. Dieser vertreibt die Einsamkeit des Jungen, macht ihn auf fliegende Abenteuer neugierig - und lässt sich dann - leider - durch einen Hund ersetzen statt durch ein Streichinstrument oder eine Ziegenhauttrommel!

Auf die Frage, was dem kleinen Jungen tatsächlich fehle, kommt keiner, wie Parzival damals es auch bei seinem Oheim versäumt, ihn durch die schlichte Frage "Was fehlt dir?" seine Menschlichkeit bewusst werden zu lassen...

Leon fragt mit seiner Trommel "how are you?" und kriegt jede Menge Antworten. Ohne "Spiesse", nur mit Fingertips, sind Bürger wunderbar melodisch, und alle Rhythmen passen unter den grossen Hut Afrikas...

Nicht nur von Politikern erwarten wir Fingerspitzengefühl: Fangen wir doch selber an, auf den Busch zu klopfen statt zu blackmailen.

Leon lebt davon!


von Brigitte Hülsmann,
Schulleiterin der Grundschule Meerweinstrasse

Grundschule Meerweinstrasse, Hamburg

Trommelworkshop
Faschingsdienstag 04.03.2003